Coehlo Paulo - Der Dämon und Fräulein Prym.pdf

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Paulo Coelho
Der Dämon und
Fräulein Prym
Roman
Aus dem Brasilianischen
von Maralde Meyer-
Minnemann
s&c by anybody
Diogenes
Ein Ort in den Pyrenäen, gespalten von Habgier, Feigheit und Angst. Ein
Mann, der von den Dämonen seiner schmerzvollen Vergangenheit nicht
loskommt. Eine junge Frau auf der Suche nach ihrem Glück. Sieben Tage, in
denen das Gute und das Böse sich einen erbitterten Kampf liefern und in
denen jeder für sich entscheiden muß, ob er bereit ist, für seinen
Lebenstraum etwas zu riskieren und sich zu ändern.
(Backcover)
ISBN 3 257 06282 6
Titel der Originalausgabe
>O Demonio e a Srta. Prym<
Copyright © 2000 by Paulo Coelho
Mit freundlicher Genehmigung
von Sant Jordi Asociados, Barcelona, Spanien
Alle Rechte vorbehalten
Paulo Coelho: www.paulocoelho.com.br
Umschlagfoto von Silvana Mattievich
Diogenes Verlag AG Zürich
www.diogenes.ch
Und es fragte ihn ein Oberer und sprach:
Guter Meister, was muß ich tun,
damit ich das ewige Leben ererbe?
Jesus aber sprach zu ihm:
Was nennst du mich gut?
Niemand ist gut als Gott allein.
Lukas, 18: 18-19
Seit fast 15 Jahren setzte sich die alte Berthe nun schon jeden
Tag vor ihre Tür. Die Bewohner von Bescos wunderte dies
nicht, denn alte Menschen träumen nun einmal von der
Vergangenheit und ihrer Jugend, blicken versunken auf eine
Welt, die nicht mehr die ihre ist, und suchen nach einem
Vorwand, um mit ihren Nachbarn ins Gespräch zu kommen.
Berthe hatte jedoch einen Grund, dort zu sitzen. Ihr Warten
fand an jenem Morgen ein Ende, als sie den Fremden den
steilen Hang heraufkommen und sich langsam zum einzigen
Hotel des Ortes begeben sah. Er war nicht, wie sie ihn sich
immer vorgestellt hatte. Seine Kleider waren schäbig, sein Haar
etwas länger, als man es für gewöhnlich trug, und er war
unrasiert. Sein Begleiter aber fehlte nicht: der Dämon.
>Mein Mann hat rechts sagte sich Berthe. >Hätte ich nicht hier
gesessen, wüßte niemand etwas davon.<
Sie schätzte ihn auf etwa vierzig oder fünfzig Jahre, war sich
allerdings nicht ganz sicher. >Ein junger Mann<, befand sie, wie
alte Leute es mit Menschen tun, die jünger sind als sie selber
und fragte sich, wie lange er wohl bleiben werde: allem
Anschein nach bloß kurz, denn er hatte nur einen kleinen
Rucksack dabei. Wahrscheinlich würde er nicht mehr als eine
Nacht bleiben und dann zu einem Ziel weiterwandern, das sie
nicht kannte und das sie auch nicht interessierte.
Dennoch hatten sich all die Jahre gelohnt, die sie vor der Tür
ihres Hauses gesessen und auf seine Ankunft gewartet hatte,
denn sie hatten sie gelehrt, die Schönheit der Berge zu
genießen, die sie zuvor kaum wahrgenommen hatte, weil sie
dort geboren und ihr die Landschaft vertraut war. Wie erwartet,
trat er ins Hotel. Berthe überlegte, ob sie über diesen
unerwünschten Gast mit dem Priester sprechen sollte, verwarf
es aber, denn er würde ihr nicht zuhören und es als eine
Altweibergeschichte abtun.
Nun ja, es blieb ihr also nichts anderes übrig, als abzuwarten,
was geschah. Stürme, Orkane und Lawinen zerstören ohne
Vorwarnung innerhalb weniger Stunden vor zweihundert Jahren
gepflanzte Bäume. Ein Dämon braucht für sein Werk der
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Zerstörung auch nicht mehr Zeit. Schlagartig wurde ihr klar, daß
das Böse sich Bescos ausgesucht hatte, ihr Wissen darum aber
nichts würde ändern können. Dämonen kommen und gehen,
sie sind ständig auf der Welt unterwegs. Manchmal geschieht
nichts, sie kommen dann nur, um zu sehen, was gerade
geschieht, andere Male kommen sie, um die eine oder andere
Seele auf die Probe zu stellen. Doch sie sind unbeständig und
wechseln ihr Ziel ohne erkennbare Logik, häufig nur aus Freude
an einem Kampf, der sich lohnt. Berthe fand nichts
Aufregendes oder Besonderes an Bescos, nichts, was einen
Fremden mehr als einen Tag fesseln könnte - ganz zu
schweigen jemanden so Wichtigen und Vielbeschäftigten wie
einen Boten der Finsternis. Sie versuchte sich auf etwas
anderes zu konzentrieren, aber das Bild des Fremden ging ihr
nicht aus dem Kopf.
Der eben noch sonnige Himmel bewölkte sich.
>Das ist ganz normal für diese Jahreszeit<, dachte sie. >Das
hat nichts mit der A
nkunft des Fremden zu tun, es ist reiner
Zufall. <
Da hörte sie einen fernen Donnerschlag, dem drei weitere
folgten. Der Donner kündigte ein Gewitter an, doch er konnte
den alten Legenden des Dorfes zufolge ebensogut die Stimme
eines zornigen Gottes sein, der sich über die Menschen
beschwerte, denen er gleichgültig geworden war.
>Vielleicht sollte ich doch etwas tun. Schließlich ist genau das
eingetreten, worauf ich gewartet habe.<
Ein paar Minuten konzentrierte sie sich auf das, was um sie
herum geschah. Die Wolken senkten sich über das Dorf, aber
sie hörte kein Donnergrollen mehr. Als gute Katholikin traute sie
Überlieferungen und Aberglauben nicht, erst recht nicht jenen
von Bescos, deren Wurzeln in der Zeit lagen, als der Ort noch
keltisch war.
>Der Donner ist nur ein Naturphänomen. Wenn Gott mit den
Menschen sprechen wollte, würde er nicht solche Umwege
wählen.<
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Sie dachte noch darüber nach, als ein erneuter Donner in
nächster Nähe sie auffahren ließ. Berthe erhob sich, nahm den
Stuhl und ging ins Haus, bevor es anfing zu regnen. Doch ihr
Herz war bang und von einer unbestimmten Angst erfaßt.
>Was soll ich tun?<
Wenn doch der Fremde nur so schnell als möglich wieder ging,
hoffte sie. Sie fand sich zu alt, um ihrem Dorf, sich selber und
Gott, dem Allmächtigen, zu helfen, der sich, falls er tatsächlich
Hilfe brauchen sollte, bestimmt jemand Jüngeren dazu erkoren
hätte. Alles war nichts als Einbildung.
Aber daß sie den Dämon gesehen hatte, nun, daran bestand
kein Zweifel.
Er war da, in Fleisch und Blut, als Pilger verkleidet.
Das Gasthaus war nicht nur Hotel, sondern auch ein kleiner
Laden für Produkte der Region, eine Wirtschaft mit typischen
Gerichten und eine Bar, in der sich die Bewohner von Bescos
zu ihren ewig gleichen Gesprächen versammelten. Sie redeten
über das Wetter oder die jungen Leute, die aus dem Dorf in die
Stadt abwanderten. »Neun Monate Winter, drei Monate die
Hölle«, stöhnten sie immer und meinten damit die Tatsache,
daß sie alles in nur neunzig Tagen tun mußten: die Felder
pflügen, düngen, säen, dann warten, ernten, Heu einbringen,
Schafe scheren.
Alle, die in Bescos geblieben waren, wußten wohl, daß sie
beharrlich an einer Welt festhielten, die schon untergegangen
war. Es fiel ihnen schwer zu akzeptieren, daß sie zur letzten
Generation von Bauern und Hirten gehören sollten, die seit
Jahrhunderten diese Berge bevölkert hatten. Früher oder später
würden die Maschinen kommen, das Vieh weit von Bescos
entfernt mit speziellem Futter aufgezogen und das kleine Dorf
womöglich an eine große ausländische Firma verkauft werden,
die es in einen Skiort verwandeln würde.
So war es anderen Orten der Region bereits ergangen, einzig
Bescos widerstand, denn es fühlte sich seinen Vorfahren und
deren Traditionen verpflichtet, die sie gelehrt hatten, wie wichtig
es ist, bis zum letzten Augenblick zu kämpfen.
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